Akademisierung der Gesundheitsfachberufe

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Eine zukunftsfähige gesundheitliche Daseinsfürsorge funktioniert nur interprofessionell und sektorenübergreifend.

Die Diskussionen in den Workshops der DHM-AG Personalentwicklung zeigten, dass eine gezieltere Karriereförderung erfolgen muss, um die Erwartungen und Möglichkeiten des Nachwuchses bestmöglich zu erfüllen bzw. zu fördern. Auf Basis konkreter Formulierung der Ausbildungsziele und –inhalte sollten Zielpositionen in allen Berufsgruppen frühestmöglich beschrieben werden.

Um die universitäre Hochschulmedizin und Krankenversorgung zukunftsfähig zu machen und diese Herausforderungen zu meistern, genügen Förderprogramme allein nicht. Es bedarf darüber hinaus einer Systemveränderung basierend auf einem Kultur- und Strukturwandel. Ansonsten wird die Effizienz aller aktuellen und zukünftigen Maßnahmen limitiert sein.

Der Kultur- und Strukturwandel muss Interprofessionalität und die weitere Akademisierung der Gesundheitsfachberufe für Tätigkeiten an und mit Patienten, die als Realität und als Chance begriffen werden sollte, umfassen. Ziel muss die Sicherstellung der Qualität der Patientenversorgung über die ambulanten und stationären Sektorengrenzen hinweg sein. Dies beinhaltet ganz maßgeblich die Integration und Akzeptanz patientenorientierter akademisierter Gesundheitsfachberufe sowie die Schaffung und Stärkung entsprechender Stellenprofile mit erweiterten heilkundlichen Kompetenzen und eigenständiger Verantwortungen, auch hinsichtlich bisher ärztlicher Tätigkeiten. Die Akademisierung muss also mit vermehrter und gut abgestimmter Substitution, die auch den Bereich der Heilkunde (Heilkundeübertragung) umfasst, einhergehen und darf sich nicht auf Delegation beschränken. In diesem Zusammenhang muss auch das Tarifgefüge angepasst werden. Dadurch wird einerseits den zukünftigen Qualitätsanforderungen und dem Anspruch der Evidenz-basierten Entwicklung der gesundheitlichen Versorgung institutionell Rechnung getragen, als auch die Attraktivität der Universitätsmedizin und Krankenversorgung als Arbeitsumfeld gesteigert.

Die universitäre Hochschulmedizin gestaltet durch universitäre Forschung, Lehre und Patientenversorgung die Zukunft einer wirksamen und nützlichen gesundheitlichen Daseinsfürsorge in allen Sektoren. Hierbei steht der Mensch im Mittelpunkt und wir sehen uns in einer besonderen Verantwortung für unsere Patient:innen, Student:innen und Mitarbeiter:innen sowie für die Gesellschaft. Dabei spielt eine umfassende und angemessene Bildung und Ausbildung in allen relevanten Gesundheitsberufen eine zentrale Rolle. Wir unterstützen unsere Mitarbeiter:innen aller Berufsgruppen bei ihrer Weiterentwicklung und ermöglichen ihnen Wissen zu erlangen und weiterzugeben, als Grundlage für eine langfristig erfolgreiche interprofessionelle Tätigkeit in Forschung, Lehre oder Patientenversorgung.

Vor diesem Hintergrund bekennt sich die universitäre Hochschulmedizin zu einer kontinuierlichen, systematischen und modernen Personalentwicklung – institutionell und individuell – auch im Bereich der Gesundheitsfachberufe und deren Akademisierung. Im Sinne der Interprofessionalität und der Vernetzung der Bereiche Lehre, Forschung, Patientenversorgung, findet die Akademisierung idealerweise im „integrierten Modell“ innerhalb der Universitätsmedizin statt (WR Drs. 2411-12). Allerdings kann bei Vorliegen hinreichender Voraussetzungen auch die Realisierung im Rahmen eines kooperativen Modells zwischen Fachhochschulen/HAW und Universitätsmedizinstandorten gelingen. Das Vorliegen von Voraussetzungen, die dem professionsübergreifenden, integrierten Modell entsprechen, gilt es im Einzelfall zu prüfen.

Ziel ist die Schaffung eines adäquaten Qualifikationsmix von akademisierten und nicht-akademisierten Mitarbeiter:innen der Gesundheitsfachberufe vor allem in primär patientenversorgenden Bereichen (jedoch nicht nur dort), wobei der adäquate Grad der Akademisierung von Fach zu Fach, vor dem Hintergrund von Forschung, Lehre und Patientenversorgung, individuell zu bestimmen ist. Es wird somit eine stärkere Binnendifferenzierung in den Gesundheitsfachberufen geben, die hervorragende Patientenversorgung und wissenschaftsgeleitete, evidenzbasierte Weiterentwicklung dieser Versorgung ermöglicht. Dieses Ziel wird unter anderem dadurch erreicht, dass universitäre Hochschulmedizin entsprechende Bildungsangebote und Rahmenbedingungen bereitstellt und unterstützt sowie entsprechende Zielpositionen einrichtet. Die Rahmenbedingungen auf der Ebene der universitären Hochschulmedizin sollten u.a. Mentoringprogramme, Öffnung der Clinician Scientist Programme für die Gesundheitsberufe und interne Forschungsförderungsprogramme auch für komplexere Biografien umfassen. Daneben müssen auch die gesetzlichen Rahmenbedingungen, wie z.B. die Novellierung des Pflegeberufe- und des Hebammengesetzes sowie SGBV, § 64d Verpflichtende Durchführung von Modellvorhaben zur Übertragung ärztlicher Tätigkeiten, angepasst werden.

Die Umsetzung dieser Maßnahmen und Strukturen vor Ort muss von den jeweiligen Standorten/Standortverantwortlichen, unter Berücksichtigung der lokalen und regionalen Besonderheiten, ohne vom Grundgedanken abzuweichen, betrieben werden. Hierbei kommt den Führungskräften aus den Gesundheitsfachberufen, dem ärztlichen sowie dem administrativen Bereich hinsichtlich notwendigem Kulturwandel, Konzeptionierung, Umsetzung und späterer kontinuierlicher Personalentwicklung, eine besondere Verantwortung zu. Besonders in der Umsetzungsphase ist die Beratung und Unterstützung der Mitarbeiter:innen sowie das Erkennen  und Fördern von Potenzialen bzw. Entwicklungsbedarfen, in dieser neuen Konstellation von herausragender Bedeutung für die Zukunftsfähigkeit der universitären Hochschulmedizin und Krankenversorgung.

Die deutsche Hochschulmedizin unterstützt diesen Weg der institutionellen Entwicklung ausdrücklich.